Das Kleid der hl. Elisabeth

Ellisa von Styra

Die Hl. Elisabeth von Thüringen lebte im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts (1207-1231). Sie war eine Adelige, die sich bereits während ihrer Ehe zunehmend der Armutslehre zuwandte und nach dem Tod ihres Mannes ein Hospital errichten ließ, in dem sie als mittellose Ordensschwester bis zu ihrem frühen Tod wirkte. Bereits kurz nach ihrem Tod wurde ihr Grab zu einer Wallfahrtsstätte und Elisabeth wurde nur wenige Jahre darauf (1235) heiliggesprochen.

Elisabeths Popularität führte auch dazu, dass sowohl ihre Gebeine als auch ihr zugeschriebene Gegenstände als Reliquien begehrt waren. Das noch erhaltene “Bußkleid der heiligen Elisabeth”  wurde durch Reliquienentnahme an einer Seite stark beschnitten, so dass heute nur die rechte Seite des Gewandes einigermaßen intakt erhalten ist. Auch vom vermutlich ehemals langen Ärmel ist rechts nur ein kurzer Ärmel geblieben. Die Schnittkanten der Reliquenentnahmen wurden mit Leinenband gesichert.

Das Kleid ist ein ursprünglich dunkelbraun gefärbtes Wollkleid, das innen angerauht wurde. Es ist seiner originalen dunkelbraunen Farbe gegenüber deutlich nachgedunkelt und der Stoff weist zahlreiche Schadstellen auf. Heute ist das Kleid mit einem nicht originalen Untergewand darunter ausgestellt.

Vom Schnitt her bestand das Kleid mit ziemlicher Sicherheit aus zwei Rechtecken für die Vorder- und Rückseite mit abgeschrägter Schulternaht sowie links und rechts jeweils zwei grob rechtwinkeligen Dreieckskeilen, die unterschiedlich eingesetzt waren (links jeweils gerader Keil auf schräge Keilseite vernäht, so dass eine Schräge auf den Rückenteil traf, rechts mittig mit den geraden Seiten zusammengenäht, so dass vorne und hinten Schrägen auf die geraden Mittelteile trafen). Auch der Zuschnitt der vier Keile ist unterschiedlich, man kann also annehmen, dass das Kleid ursprünglich nicht aus einem ganzen rechteckigen Stoffstück zugeschnitten wurde, sondern zumindest teilweise aus Reststücken. (Kania, S. 286ff)

Der aus zwei Teilen zusammengesetzte Ärmel weist eine Naht in der Mitte der Ärmelkugel auf, der daran gesetzte Keil befindet sich an der Rückseite des Armes. Betrachtet man den Ärmelschnitt unten, sieht man, dass sich Ärmel und Keil aus einem rechteckigen Stoffstück zuschneiden lassen, wenn man den Keil neben den Unterarm verstürzt. (Kania, S. 202)

Typisch für die Herstellung des Kleides ist der sogenannte Elisabeth-Stich, bei dem die beiden Stoffkanten etwa einen halben Zentimeter überlappt werden und danach auf beiden Seiten die Stoffkante mit Überwendlingstich oder Saumstich am Stoff der anderen Bahn festgenäht wird. Damit sind die Kanten auch gleich versäubert. Die Vorderbahn überlappt die Seitenkeile, der Ärmelausschnitt den Ärmel. (Kania, S. 94, S. 287)

Bei der Restauration 1976 wurde im Würtembergischen Landesmuseum unter anderem auch eine Schnittzeichnung angefertigt. (Hausherr)

An dieser sieht man gut den vorne sehr weiten Ärmelausschnitt (er reicht bis an die Rückenbahn – erkennbar am Keil zwischen den seitlichen Geren und dem Rückenteil), der typisch für Kleidung der Epoche ist. Ärmel waren zu dieser Zeit  vorne deutlich tiefer eingesetzt als heute, so dass sie nach vorne große Beweglichkeit erlaubten. Der Ärmel selbst wurde in diesen Ärmelansatz mit der Ärmelkugel gegenüber modernen Schnitten verschoben nach hinten eingesetzt. Die höchste Stelle der Ärmelkugel kommt so am Rücken zu liegen. (Kania, S. 200f)

Quellen:

Kania, Katrin: Kleidung im Mittelalter. Materialien – Konstruktion – Nähtechnik. Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien, 2010

Hausherr, Reiner, Hg.  Dei Zeit der Staufer, Geschichte — Kunst — Kulture. (Katalog der Ausstellung, 6., verb. Aufl. 4 bande)  Stuttgart: Württembergisches Landesmuseum, 1977. Zitiert auf http://www.personal.utulsa.edu/~marc-carlson/cloth/elizabeth.htm